Geschichte


Das alte Backhaus klagt an!

An deine Türe klopf ich an, um dich einmal zu fragen:

wer hat dir soviel Leid getan, in deinen alten Tagen.

Du öffnest mir und schaust mich an; das will ich gleich dir sagen:

es war der Mensch in seinem Wahn, sie haben mich k.o. geschlagen.

Nun sage mir, muß das denn sein, ist das der Weisheit letzter Schluß;

daß man mich schlägt nun kurz und klein, gar vielen zum Verdruß.

In vielen Kriegen half ich doch, so manchem aus der Not,

gar mancher sich erinnert noch, an das einst’ge gute Bauernbrot.

Und auch so mancher Zwiebelplatz, der ging durch meine Türen;

hier küßt manch Bursche seinen Schatz, um ihn dann heim zu führen.

Und wenn im Dorf‘ ne Hochzeit war, dann rollten an die Kuchen;
zur Feier für das junge Paar, heut tut man mich verfluchen.

Auch gab’s bei mir manch Stelldichein, so zwischen jungen Pärchen;
und später stellte sich was ein, das ist durchaus kein Märchen.

Dann gab’s woanders Stelldichein, wohl auf dem Standesamt;

wenns war passiert und mußte sein, in Seide und in Samt.

Und wenn zur Nacht die Glocken klangen, zum Backespiel die Weibsleut gangen;
dort wurde dann mal schnell glossiert, was all im Dorfe war passiert.

Und auch so mancher Tippelbruder, hat bei mir übernachtet;
besoffen war manch armes Luder, ich hab ihn nicht verachtet.

Mit Pickel und mit Schlägel, sie kamen anmarschiert,

man nannte sie früher Flegel und haben abmontiert.

Ein schlechtes Denkmal hier erstand, bringt den Zerstörern keine Ehre
sie habens wohl zu spät erkannt, mag ihnen sein ’ne Lehre.

Zitieren muß ich hier Herrn Strauß, ein Saustall wurde dieses Haus;
geh ich vorbei, mich packt die Wut, zum Dichten fand ich drum den Mut.

Pfadfinder sie sich nennen, die dieses Denkmal schufen;
an ihren Taten sollt ihr sie erkennen, hört man heut viele rufen.

Im tausendjähr’gen Reiche, die Jugend einst marschiert;
und als es ging zur Neige, da war soviel passiert.

Ob diese Jugend heute, die richt’gen Führer hat,
und sie nicht wird zur Beute, das steht auf einem andern Blatt.

Mehr Freiheit und mehr Demokratie, wird heute proklamiert;
was einst entstand mit großer Müh, wird schändlich ruiniert.

Demokratie, doch nicht zuviel; dies ist nicht immer angebracht;
sie führet oft vorbei am Ziel und hat manchen in groß‘ Leid gebracht.

Zu Schutt bist du geschlagen, wann wirst du auferstehn?
vielleicht in fernen Tagen, wenn andre Lüfte weh’n.

Was geht das bloß den Schuster an, so mancher denken mag;
weil nicht ein jeder dichten kann, bringt er so manches an den Tag.

Macht weiter so, ich sehe schwarz, es ist alles, alles für die Katz;
die Unvernunft tut heut regieren, ich seh die Demokratie marschieren.

Nun mag’s genug für heute sein, bei Bedarf werd ich zur Stelle sein;
werd ungeniert die Wahrheit sagen, und wem’s nicht paßt, mag mich verklagen.

Dieses Gedicht aus dem Jahre 1974, des Schusters Wilhelm Schwalbach (1897-

1978), spiegelt in gereimten Worten die Geschichte unseres Backhauses wider.


Es ist eins der ältesten der drei Gonterskirchener Backhäuser und wurde 1827 in der

Dorfmitte an der Horloff errichtet. Genutzt wurde das Backhaus von den

Familien aus der nahen Nachbarschaft, die hier Brot und Kuchen backten.
Das war in der Regel ein Backen auf Vorrat – zumindest was das Brot anging.

Es wurde immer so viel gebacken, dass es je nach Größe der Familie zwei bis

vier Wochen reichte.
Das Brot wurde dazu zu Hause im Backtrog gelagert und mit Tüchern abgedeckt,

damit es nicht austrocknete. Manche bewahrten es auch in Steinguttöpfen auf und

andere Familien auf einem Stangengestell an der Kellerdecke, wo es ja stets feuchter

war als im Haus.

Der Backbetrieb lief bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Er wurde

dann eingestellt, als die Dorfbewohner mittlerweile von der örtlichen Bäckerei

und drei Lebensmittelgeschäften mit Backwaren versorgt wurden.

Im Jahr 1974 –wenige Jahre nach der Eingemeindung Gonterskirchens in die

Stadt Laubach – wurde der Backofen abgerissen.

Anlässlich der 750-Jahrfeier wurde unser Backhaus äußerlich aufpoliert und diente bis

ins Jahr 2000 der Flurbereinigungsbehörde als Lagerraum für ihre Gerätschaften.

Im Jahr 2000 schließlich beschloss der Gemeinderat das mittlerweile baufällig

gewordene Backhaus abzureißen und an seiner Stelle einen Dorfplatz anzulegen.

Gerade noch rechtzeitig konnte eine Interessengemeinschaft den Abriss verhindern.

Als IG-Backhaus baute sie das Kleinod in seiner jetzigen Form wieder auf,

um es für dörfliche und andere Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. 

Das Backhaus in der Untergasse 2002/2003